Stellungnahme zum Landeshaushalt Thüringen 2025 - MigraNetz Thüringen, thadine, TIAM, QueerWeg

Mit großer Sorge nehmen wir – die von den Kürzungen betroffenen Selbstorganisationen in Thüringen – den aktuellen Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2026/2027 der Thüringer Landesregierung zur Integrations-, Antidiskriminierungs- und Vielfaltsförderung zur Kenntnis. Die geplanten Kürzungen und strukturellen Veränderungen stellen einen massiven Rückschritt für gesellschaftliche Teilhabe, Demokratie und soziale Stabilität im Freistaat dar.

1. Geplante Kürzungen bei Integration und Vielfalt: Ein Rückschritt für Thüringen
Die geplante Zusammenlegung der bisherigen Integrationsrichtlinie mit der Richtlinie zur Beratung anerkannter Geflüchteter sowie die Einführung einer dritten Fördersäule reduziert den Gesamtetat von vormals 13 Mio. Euro auf nur noch 8 Mio. Euro – ein Einbruch von mindestens 40 %. Das bedeutet: Von bislang 6 Mio. Euro für die Integrationsrichtlinie stünden künftig – selbst bei paritätischer Aufteilung – nur noch rund 2 Mio. Euro zur Verfügung.

Ohne gut umgesetzte strukturelle Förderung durch die Landesregierung, welche auch die frühzeitige Planbarkeit von zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel im besten Fall vor Beginn des jeweiligen Haushaltsjahres inkludiert, droht der Verlust von jahrelang mühsam aufgebauten, migrantischen, zivilgesellschaftlichen Strukturen - vor allem im ländlichen
Raum Thüringens.

Auch die Kriterien für die Vergabe der Fördergelder sind nicht definiert: Die geplante Übertragung der Priorisierung in Programmsäule Zwei an die Landkreise öffnet Tür und Tor für politische Willkür. Es ist absehbar, dass migrantische Vereine sowie andere zivilgesellschaftliche Akteur*innen strukturell benachteiligt werden. So wird Vielfalt nicht gefördert, sondern selektiert – und das vor allem im ländlichen Raum.

Fazit: Die im Entwurf für den Haushalt 2026/27 vorgesehenen Einschnitte sind kein technischer Sparvorgang, sondern ein massiver Rückschritt für die ohnehin bereits unterfinanzierte Integrationsarbeit in Thüringen. In Verbindung mit der geplanten Neuordnung der Förderrichtlinien droht ein struktureller Schaden, der jahrelang gewachsene Angebote, Fachwissen und Verlässlichkeit gefährdet – mit deutlichen Folgen für Demokratie, Teilhabe, sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit des Landes.

2. Antidiskriminierung, Vielfalt & Demokratieförderung:
Kürzungen sieht der Haushaltsentwurf auch bei den Maßnahmen für Bürgerbeteiligung, Partizipation und Antidiskriminierung vor. Schon in 2025 konnte der Haushaltstitel den tatsächlichen Bedarf von mind. 580.000 € nicht decken. Die erneute Kürzung auf nur noch 280.000 € pro Jahr stellt eine existenzbedrohende Gefährdung dar. Es drohen thüringenweit
einmalige Beratung-, Bildungs- und Begegnungsangebote wegzubrechen. Diese Angebote richten sich nicht nur an marginalisierte und diskriminierte Menschen, sondern werden auch von Fachkräften sowie An- und Zugehörigen nachgefragt. Weitere Kürzungen betreffen die Zuschüsse für Präventions- und Beratungsarbeit, die im Jahr 2026 mit Kürzungen in Höhe von 84.500 Euro insbesondere die Beratung gegen Hatespeech treffen sollen.

Mit den geplanten Einschnitten werden ausgerechnet jene Strukturen geschwächt, die Antidiskriminierungsarbeit stärken, Betroffene unterstützen und sozialen Zusammenhalt, demokratische Resilienz und Teilhabe sichern – auch in Vereinen und Sport. In den vergangenen Jahren mühsam aufgebaute Strukturen drohen wegzufallen. In Zeiten wachsender Anfeindungen braucht es mehr, nicht weniger demokratiestärkende Angebote. Während rechte Gewalt, Hatespeech, Rassismus, Queerfeindlichkeit und autoritäre Ideologien in Thüringen sichtbar wachsen, sendet die Landesregierung das Signal: Schutz
vor Diskriminierung und Online-Hass hat keine Priorität.

Migrantische und queere Organisationen sowie fachspezifische Beratungsstellen sind keine Randakteur*innen, sondern zentrale Partner*innen der Demokratie! Aus diesem Grund braucht es langfristige, verbindliche und stabile Förderstrukturen, um diese wichtige Arbeit abzusichern.

3. Unsere Forderungen
 Thüringen braucht eine inklusive, stabile und transparente Förderarchitektur, die Vielfalt und Diversität nicht nur anerkennt, sondern schützt sowie den Schutz vor Diskriminierung in den Vordergrund stellt. Es braucht klare landesweite Förderkriterien, die die Teilnahme migrantischer, queerer und zivilgesellschaftlicher Organisationen verbindlich absichern,

 Die konkrete Absicherung der integrationspolitischen Arbeit migrantischer Vereine – vor allem im ländlichen Raum – durch nicht verhandelbare, klare Verbindlichkeiten in der neuen Integrations- und Sozialberatungsrichtlinie,

 Die Absicherung von Beratungsstrukturen im Integrations-, Antidiskriminierungsund Vielfaltsbereich durch eine Anhebung der Mittel für Bürgerbeteiligung, Partizipation und Antidiskriminierung auf mindestens 580.000 Euro jährlich sowie
der Mittel für die Beratung gegen Hatespeech (elly) auf mindestens 318.000 Euro; zusätzlich bedarfsgerechte Bereitstellung finanzieller Ressourcen (mindestens 275.000 Euro) für eine unabhängige Antidiskriminierungsberatung (EmpowerMensch – Beratungszentrum gegen Diskriminierung) sowie die Absicherung der Antidiskriminierungsberatung für die ländlichen Räume („Raus aufs Land“). Für alle braucht es eine gesicherte, langfristige Finanzierung.

 eine gesicherte Kofinanzierung von Bundesprogrammen wie u.a. „Demokratie leben!“, „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und „respekt*land“ ohne die wichtige Begegnungs- und Integrationsräume im ländlichen Raum in Thüringen wegbrechen
würden.

Für Rückfragen:
 Landesverband der Migrant*innenorganisationen - MigraNetz Thüringen e.V.:
Elisa Calzolari, 03643 – 8777747, elisa.calzolari@migranetz-thueringen.org

 Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk (thadine) e.V.: Maria Ackermann, 0361-
21347395, maria.ackermann@empowermensch.org

 TIAM e.V. - Trans-Inter-Aktiv Mitteldeutschland e.V.: Sandy Arnold, 0375 -
81998950, s.arnold@trans-inter-aktiv.org

 Vielfalt Leben - QueerWeg e. V.: Matthias Gothe, 01575 18 40 920,
matthias.gothe@queerweg.de